Advent vom Ursprung bis heute

www.sonntagsblatt.de erklärt: Ursprünglich ging es in der Wartezeit auf das Christkind (Advent) darum, gewohnte Abläufe zu unterbrechen – beim Essen und in den täglichen Routinen. Das Fasten schaffte Raum für neue Gedanken. Der Advent bot Gelegenheit, das Leben neu zu ordnen und sich auf die Geburt des Christuskindes vorzubereiten. Statt weltlichen Genüssen zu frönen, suchte man die innere Einkehr – im Gebet, in der Lektüre heiliger Schriften, in der Abkehr von der Hektik des Alltags und seinen Vergnügungen. 
Die Wurzeln dieser Tradition reichen bis ins späte 4. Jahrhundert zurück, vor allem in den Gebieten des heutigen Frankreich und Spanien. Das Wort "Advent" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Ankunft", abgeleitet von "adventus Domini" - "Ankunft des Herrn". Dieser Begriff ist eng verwandt mit dem griechischen "epiphaneia", was "Erscheinung des Herrn" bedeutet. Dies erklärt auch, warum das Fest der Geburt Jesu in der Ostkirche ursprünglich am 6. Januar als Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanie) gefeiert wurde - auch bekannt als "Fest der Taufe".

Das Fasten war ursprünglich also eng mit der Vorbereitung auf die Taufe verbunden. Wie vor der Osternacht, dem traditionellen Tauftermin für Erwachsene seit dem 4. Jahrhundert, gab es auch vor Epiphanias eine vierzigtägige Fastenzeit. Sie diente als Reinigungsritus und orientierte sich an den 40 Tagen, die Jesus nach seiner Taufe in der Wüste fastete. Da samstags und sonntags nicht gefastet wurde, dauerte die Fastenzeit acht Wochen und begann am Martinstag, dem 11. November.

Eine Zäsur brachte Kaiser Konstantin (gestorben 337), der das Weihnachtsfest auf den 25. Dezember legte, an dem zuvor die Wintersonnenwende mit einem heidnischen Sonnenfest gefeiert wurde. Die genauen Beweggründe für diese Verknüpfung sind nicht vollständig geklärt, doch markiert diese Entscheidung eine entscheidende Zäsur. Weihnachten etablierte sich fortan als zentrales Fest zur Feier der Geburt Christi - nicht nur im Westen, sondern auch in den meisten östlichen Ostkirchen. Damit verbunden war eine Verkürzung der Fastenzeit auf sechs Wochen. Ihre ursprüngliche Funktion als Vorbereitung auf die Taufe trat zunehmend in den Hintergrund, da die Säuglingstaufe im späten 5. Stattdessen trat die asketische Tradition der Wüstenväter stärker in den Vordergrund. Sie verstanden Fasten nicht nur als zeitweiligen Verzicht auf Nahrung, sondern als bewusste Enthaltsamkeit – insbesondere von Fleisch.

Im Mittelpunkt stand die "imitatio Christi" - die Nachahmung des Fastens Jesu in der Wüste als Vorbereitung auf die Ankunft Christi im Advent. Dabei ging es weniger um strikte Nahrungsverbote, sondern vielmehr darum, über einen bestimmten Zeitraum hinweg Verzicht zu üben. Der Verzicht auf bestimmte Speisen sollte helfen, Gewohnheiten, die vom Wesentlichen ablenken, zu durchbrechen und sich stärker auf die Verbindung mit Gott zu konzentrieren.

Die Reformation brachte schließlich einen grundlegenden Wandel in der Fastentradition. Die Reformatoren kritisierten, dass das Fasten als "Werk" missverstanden werden und den Glauben an eine Werkgerechtigkeit fördern könne. Zudem isoliere das Fasten den Einzelnen von der Gemeinschaft und lenke vom Nächsten ab.
Da es keine biblische Grundlage für ein verpflichtendes Fasten gab, sollte jeder Christ selbst entscheiden können, ob und wie er fastet. Diese Auffassung entsprach der reformatorischen Haltung, die sich nicht nur gegen kirchliche Fastengebote, sondern auch gegen andere dogmatische Praktiken wandte, die das individuelle Glaubensverständnis einschränkten.

So präsentiert sich der Advent heute in einem völlig neuen Gewand: Frei von starren Vorschriften bietet er Raum für individuelle Gestaltung. Es ist eine Zeit des Vorglühens und der süßen Versuchungen, bis spätestens am Heiligen Abend der Reiz der vielen Lebkuchen verfliegt.
Doch auch wenn sich der Advent in seiner modernen Form vom traditionellen Fasten entfernt hat, greifen Initiativen wie "Der andere Advent" den ursprünglichen Gedanken des Fastens wieder auf – allerdings nicht im Sinne von Nahrungsverzicht. Vielmehr geht es darum, durch meditative Texte und Andachten eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und in die eigene Gedankenwelt einzutauchen, um den Advent tiefer und besinnlicher zu erleben. Eine Praxis, die wohl auch Luther befürwortet hätte.

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